In Hochpochten hast Du nach den Grundsätzen der Naturgemäßen Waldwirtschaft gearbeitet, die Alfred Möller bereits vor mehr als 100 Jahren in Preußen gelehrt hat. Was gab für Dich als jungem Forstmann den Ausschlag, dieser Idee zu folgen?
Im Grunde genommen brachte ich den Gedanken eines naturnahen Umgangs mit dem Wald schon intuitiv in den Beruf mit. Als ich 1981 als unbedarfter Dienstanfänger, der von der Waldwirtschaft noch überhaupt keine Ahnung hatte, meinen Ausbilder fragte, ob man die von mir beobachteten Fichten-Sämlinge nicht übernehmen könne, anstatt Fichte zu pflanzen, reagierte er etwas ungehalten und sagte: Wenn ich so etwas vertreten wolle, müsste ich das aber sehr gut begründen können. Damit war das Thema erledigt. Ich glaube, er hielt mich für einen „Alternativen“ beziehungsweise „Grünen“. Reine Fichten-Douglasien- oder Kiefernwälder empfand ich noch nie als Wald. Die ersten Kontakte mit Beispielbetrieben wie Rentweinsdorf und dem unvergessenen Baron von Rotenhan begeisterten mich.
Ein junger Förster, der beherzt Strecke macht und erfolgreich Drückjagden etabliert: Was musste der sich damals anhören von der Jägerschaft in der Umgebung?
Scharfe verbale und öffentliche Attacken hatte ich - Gott sei Dank- nicht erlebt. Es ging einmal das Gerücht herum, man wolle einen Beschwerdebrief wegen den hohen Abschusszahlen an das Ministerium schicken. Aber dazu kam es nicht. Durch die stufenweise Anhebung der Jagdstrecke erfolgte der Paradigmenwechsel auch nicht so abrupt. Als gläubiger Mensch und Sohn eines Berufsjägers legte ich immer Wert auf eine handwerklich saubere Jagdausübung, das heißt tierschutzgerecht, sicher für Mensch und Hund. Lockere provozierende Sprüche vermied ich. Dies führte meines Erachtens zu einer gewissen Akzeptanz.
In Hochpochten sind seit vielen Jahren Jäger aus der näheren Umgebung aktiv. Was war hier entscheidend, dass aus ihnen ein erfolgreiches Jagd-Team geworden ist?
Man kann schon sagen, dass alle mithelfenden Jäger aus dem traditionellen Jägerkreis stammen. Sie schätzen das im Gegensatz zu den Pachtrevieren freie Jagen im Staatswald. Mit der Zeit erfolgte auch eine Identifikation und Begeisterung mit unseren Zielen des klimaresilienten Mischwaldes. Grillabende und Jagdfrühstück bei unseren Gemeinschaftsansitzen, gemeinsames Jagdjahr-Abschlussessen fördern den Zusammenhalt und die Motivation. Dies macht sich auch in der geringen Fluktuation bemerkbar. Die meisten Jagdhelfer sind langjährig dabei.
Du hast annähernd 100 Drückjagden organisiert. Wenn Du vergleichst, damals und heute: Was hat sich verändert?
Früher haben wir in Riegeln abgestellt. Die Stände befanden sich auf dem Boden. Standschnaller waren noch nicht üblich. In erster Linie ging es um das Schwarzwild, das mit Hundemeuten aus den Einständen bewegt wurde. Rehwild und Rotwild waren Beifang. Heute hat sich das komplett verändert. Die Stände sind unregelmäßig über das Revier und auf Drückjagdböcken verteilt. Es gibt ausgesprochene Reh- und Schwarzwildstände oder beides. Standschnaller und Hundeführergruppen halten das Wild mit niedrigläufigen und fährtenlauten Hunden in Bewegung. Zuerst haben wir mit relativ niedrigen Drückjagdböcken gearbeitet, dann hohe Böcke gebaut. Jetzt müssen wir wieder zum Teil auf niedrige Drückjagdböcke zurückgreifen, da die Verjüngung schon ins Stangenholz wächst. Die Bewegungsjagdstrategie muss also ständig den veränderten Bedingungen angepasst werden!
Hochpochten ist bundesweit bekannt als ANW-Beispielrevier und Exkursionsziel vieler Studentengruppen. Wie machst Du dem Forstnachwuchs Mut, das Wissen auch gegen Widerstände im Revier umzusetzen.
Als Revierleiter muss man immer ein Stück seine Freiheiten auch einfordern und seinen zugedachten Kompetenzbereich abstecken. Dies bezeichne ich mal als Berufstragik. Die Konzepte sollten aber auch Hand und Fuß haben und fachlich fundiert sein. Ich empfehle, mit Geduld und Gelassenheit Dinge hinzunehmen, die man nicht ändern kann. Was man verändern kann, das sollte man auch in Angriff nehmen. Über ein langes Berufsleben können plötzlich Konstellationen entstehen, die wieder neue Chancen bieten.
Bitte zum Schluss noch ein Rat für die jungen Revierleiterinnen und Revierleiter. Was ist wichtig, um diesen Mut nicht zu verlieren?
Ganz klar ist das für mich der Kontakt und der Austausch mit Gleichgesinnten. Obwohl ich kein Vereinsmensch bin, sondern eher ein Freigeist, fand ich in der ANW und im ÖJV meine Heimat. Das Gemeinschaftsgefühl bei den vielen Exkursionen in Rheinland-Pfalz, in Deutschland sowie dem Ausland und in meinem Revier, tat mir gut und gab mir neue Impulse – trotz gelegentlich heftiger Diskussionen, die auch dazu gehören. Mit der Zeit stellen sich dann Erfolge ein, die einem Mut machen, seinen Weg weiterzugehen.
Wichtig war für mich immer die kritische Selbstreflexion und das Evaluieren des eigenen Handelns. Wir sollten uns immer die Frage stellen: Machen wir wirklich alles richtig, oder müssen wir noch besser werden? Die Zeit Verantwortung für einen Wald zu übernehmen ist uns nur geliehen. Sie war für mich Verpflichtung aber auch große Freude zugleich. Nutzt diese Zeit! Ganz nach dem Motto der Malerin Paula Modersohn-Becker, die schrieb:
Die Fragen stellte Werner Schui.
Mehr Informationen zum Revier Hochpochten auf der Website der AMW Deutschland.